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Nachhaltigkeit und Familienleben ein Gastbeitrag von julesloveandlife aus Rom

Und irgendwann kann man die unangenehme Wahrheit nicht mehr ignorieren: Die Menschheit hat ein Problem. Und zwar auf vielen Ebenen.

(Gastbeitrag von julesloveandlife)

Zunächst ist da der Klimawandel.

Eine globale und allumfassende Katastrophe. Schließlich haben wir nur eine Erde #theresnoplanetb. Doch obwohl wir im Grunde seit Jahren davon wissen, in den Nachrichten schmelzende Eisberge sehen, jedes Jahr neue Hitzerekorde verzeichnen, schaffen wir Erwachsenen, das alles gekonnt zu ignorieren. Stattdessen wird lieber weiter fröhlich die Urlaubsreise, natürlich eine Flugreise, geplant, ein neues, noch größeres Auto gekauft und mitunter jeden Tag Fleisch auf den Tisch gestellt. Das wird sich schon alles regeln! Die Politik muss da jetzt endlich mal etwas tun!

Was bedeutet das für mich?

Ich schließe mich (beschämt) in diese Beschreibung mit ein. Da muss erst ein schwedisches Mädchen kommen, sich jeden Freitag streikend vor das Parlament stellen, damit wir ein paar Sekunden länger über die bedrohliche Situation nachdenken. Schließlich fangen sogar unsere Kinder an, freitags, statt in die Schule zu gehen, mit Plakaten zu demonstrieren.

Öffentlich wird darüber diskutiert, ob das nicht eigentlich Schulschwänzen sei und die Kinder nicht tunlichst dazu gebracht werden müssten, ihrer Schulpflicht nachzukommen.
So ganz langsam sickert aber auch zu uns durch, dass das Problem vermutlich doch nicht so einfach gelöst werden kann. Weder damit, dass wir unsere Kinder zurück in die Schule schicken, noch Greta Thunbergs Engagement ihrem Asperger-Syndrom in die Schuhe schieben, noch indem wir darauf warten, dass „die da oben“ endlich „etwas“ tun.

Der Klimawandel. Er ist da. Und er klopft nicht freundlich an unsere Tür und bittet uns, doch bitte etwas sorgsamer mit unserem Planten umzugehen, nein, er tritt unsere Tür ein. Vermutlich hat er schon Jahrzehnte lang ganz vorsichtig angeklopft, aber wir haben es gekonnt und viel beschäftigt ignoriert. Wird schon. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Und irgendwann, ich kann euch gar nicht sagen, fiel es mir persönlich wie Schuppen von den Augen. Viel zu spät.

Und irgendwie auch erstaunt darüber, wie lange ich es eigentlich verdrängen konnte.

War es nun Greta oder meine Tochter Rosa, die bei jeder Plastikflasche anfing, laut „Umweltverschmutzung“ zu rufen- ich weiß es nicht genau. Vielleicht mögen auch die wahnsinnig hohen Temperaturen des Sommers und ein brennender Regenwald mit hineingespielt haben. Auf jeden Fall war plötzlich klar: Wir müssen etwas ändern. Und wir können nicht warten, bis es irgendwelche staatlichen Sanktionen oder Reglementierungen gibt.

Ich fange jetzt bei mir und meiner Familie an.

Wäre ich eine alleinstehende Mittdreißigerin, wäre mir die Umstellung auf ein nachhaltigeres Leben vermutlich leichter gefallen. Ich hätte ja nur bei mir schauen müssen. Ich hätte mittags in einem veganen Restaurant essen gehen und meine Einkäufe zwischendurch mit dem Fahrrad auf dem Markt erledigen können. Davon gibt es hier in Rom nämlich sehr viele. Auch alle anderen Strecken hätte ich mit dem Rad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln erledigen können. Ich hätte ziemlich schnell radikal auf Plastik im Haushalt verzichten können. Fleisch esse ich übrigens eh kaum, ein vollkommener Verzicht wäre mir nicht schwer gefallen. Hätte, würde, könnte. Bringt aber nichts.

Ich bin zwar eine Mittdreißigerin, habe aber eine Großfamilie und lebe in einer südeuropäischen Großstadt, wo Nachhaltigkeit noch kein geläufiger Begriff ist. Da wir etwas im Grünen leben wollten, aber dennoch zentral, müssen unsere Kinder jeden Tag zur Schule gefahren und abgeholt werden. Großeinkäufe werden -weil einfach praktisch- im hiesigen Supermarkt gemacht. Unsere pubertierenden Töchter lieben es, sämtliche Kosmetikprodukte auszuprobieren und zwar am liebsten die, die in der Werbung gefeiert werden- dazu zählt leider keine Naturkosmetik. Unsere kleinen Töchter frühstücken gerne einen Schokoladenaufstrich, der leider Palmöl enthält.

Ich könnte die Liste ewig fortführen. Und nun? Sind das ausreichend Gründe dafür, zu sagen: „Ich kann nichts ändern!“? Nein. Denn es gibt keine Entschuldigung mehr. Und so war mir eines Sommermorgens klar:

Jetzt gilt es, jetzt ändern wir unseren Familienalltag.

Der gravierendste Schritt für uns war die Entscheidung, umzuziehen. Es ist einfach nicht zu rechtfertigen, in der heutigen Zeit Kinder jeden Tag 8 km hin, 8 km zurück in die Schule zu fahren. Das System der öffentlichen Verkehrsmittel hier in Rom ist nicht verlässlich. Mal kommt ein Bus, mal kommt er nicht. Also nicht realistisch für uns, darauf umzusteigen. Wir ziehen nun in eine Wohngegend, wo die Kinder fußläufig zur Schule kommen. Das Auto soll ab sofort größtenteils stehen bleiben. Ich allein nutze Bus und Bahn oder meine Vespa.
Schließlich bin ich mit meinem Mann und Kindern jeden Bereich des Haushaltes durchgegangen, habe mich belesen und nach und nach kam Licht ins Dunkle, wie wir was am besten ändern können.

13 Tipps, wie jede Familie anfangen kann

Und das sind meine Tipps, wie jede Familie klein anfangen kann, das Familienleben nachhaltiger und bewusster zu leben.

  1. Wir haben erst einmal sämtliche Plastikflaschen aus unserem Haushalt eliminiert. Wir trinken nur noch Leitungswasser, benutzen einen Wassersprudler, dessen Kartuschen nachgefüllt werden können.
  2. Wir benutzen keine Mülltüten mehr. Hier in Italien hat nicht jedes Haus eigene Mülleimer. Der Müll wird in große Container, die in jeder Straße stehen, gekippt. Mittlerweile wird aber auch hier ordentlich getrennt. Wir haben nun ein auswaschbares Trennsystem. Der Biomüll wird in einer Papiertüte gesammelt.
  3. Einkäufe machen wir zu Fuß und nutzen dann den Lieferservice mit dem Elektroauto.
  4. Wir benutzen keine Plastiktüten beim Einkaufen, für Obst und Gemüse nehmen wir
    unsere eigenen Jutesäckchen von zu Hause mit.
  5. Obst, Gemüse und Fleisch wird nur noch aus regionaler Herstellung gekauft. Unseren
    Fleischkonsum haben wir erheblich reduziert.
  6. Ich habe endlich einen palmölfreien Schokoladenaufstrich gefunden, der den Kindern
    schmeckt.
  7. Wenn wir außerhalb etwas Trinken, verzichten wir auf Plastikbecher, Strohhalme etc.
  8. Ich habe einen kleinen Laden in unserer Nähe gefunden, wo ich sämtliche
    Haushaltsmittel, wie Spülmittel, Waschmittel etc., abfüllen kann. Alle Produkte sind
    öko zertifiziert.
  9. In der Küche gibt es keine Plastik- oder Alufolie mehr. Die Kinder haben Brotdosen
    und plastikfreie Aluflaschen für die Schule und den Kindergarten. In der Schule gibt es mittlerweile auch keine Plastikflaschen mehr, sondern einen Wasserspender, wo die Kinder ihre Flaschen auffüllen können.
  10. Im Bad gibt es jetzt BPA-freie Bambuszahnbürsten, plastikfreie Zahnseide, Zahnputztabs, Holzrasierer und ein Holzstäbchen, um die Ohren sauber zu machen. Statt Duschgelen Shampoo benutzen wir Hartseife und Bioshampoo aus Glasflaschen.
  11. Die Mädels und ich benutzen keine Einwegwattepads mehr, sondern wiederverwendbare Baumwollpads.
  12. Sämtliche Kosmetik haben wir auf Naturkosmetik umgestellt.
  13. Wir verzichten auf Urlaubsflüge. Beruflich lässt sich das Fliegen (leider) nicht
    vermeiden. Dann bezahlen wir einen Co2-Ausgleich.

Nachhaltig leben ist ein Prozess

Dass das alles womöglich noch nicht ausreichend ist, weiß ich, nein, befürchte ich. Ich denke, nachhaltig zu leben, ist ein Prozess. Wir als Familie stehen am Anfang unseres Weges. Aber wir sind losgelaufen. Manchmal bin ich total genervt davon, dass da doch wieder Plastikmüll bei uns in der Küche ist. Dann fluche ich laut und frage mich, ob es reicht, dass wir uns bemühen oder ob es nicht doch am allerwichtigsten wäre, dass die Politik endlich Maßnahmen trifft. Dass dieser Verpackungswahnsinn von Lebensmitteln endlich aufhört. Dass es auch hier in Rom endlich mehr „Unverpackt-Läden“ gibt. Dass Biosachen, gerade was hier in Italien Hygieneartikel angeht, nicht so viel teurer sind. Dann bin ich genervt und manchmal auch desillusioniert.

Und dennoch: Es geht nicht anders. Wir dürfen nicht darauf warten, dass andere es für uns „tun“. Wir alle sind gefragt. Eine sehr liebe Followerin hat mir neulich geschrieben: „Wir brauchen Millionen Menschen, die den Umweltschutz unperfekt praktizieren, statt eine Hand voll Menschen, die es perfekt machen, während der Rest nichts tut.“ Daran halte mich. Und gehe den Weg der Nachhaltigkeit mit meiner Familie weiter. Ich hoffe, jeden Tag ein bisschen perfekter.

Weiter lesen:

Auch im Gastbeitrag von NanaMW geht es um den Start in ein nachhaltigeres Leben mit Kindern.

Und zusätzliche Inspiration gibt es im Artikel, “Wie man Kindern Nachhaltigkeit erklären kann”.

Photo by Martijn Baudoin on Unsplash

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